Geschichte der Johanneskirche

 

Ulrich Althöfer 

Die Johanneskirche in Everswinkel. Ein Blick zurück und ringsum

„Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ – dieses Sprichwort trifft auf die kleine Zeichnung des Malers Heinz Eickholt aus den frühen 1950er Jahren zu, die im Foyer der evangelischen Johanneskirche in Everswinkel hängt. Einige Bleistiftstriche, mit sicherer Hand aquarelliert, eine Impression ohne großen künstlerischen Anspruch, die jedoch treffender die Geschichte der Johanneskirche nicht darstellen könnte.

Im Folgenden soll die Johanneskirche im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Dabei möchte ich den Blick über die örtliche Geschichte hinaus lenken: zurück, in die Entstehungszeit, und ringsum – in die engere und weitere westfälische Umgebung.

Zunächst jedoch ein Blick zurück in die Zeit der Einweihung im Jahr 1952, wie Eickholts Aquarell sie darstellt.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges kamen Hunderttausende Flüchtlinge und Vertriebene nach Westfalen. Waren sie evangelisch, kamen sie im Münsterland, aber auch im Paderbomer Land und im Sauerland in katholisch geprägte Gebiete. Diese Situation hat sowohl unser Land als auch seine kirchlichen und konfessionellen Strukturen entscheidend verändert. Zwar gab es in den erwähnten Regionen evangelische Gemeinden. Doch es waren Diasporagemeinden mit wenigen Gemeindegliedern auf großer Fläche. Die einzige evangelische Kirche im östlichen Münsterland beispielsweise befand sich – erst seit 1899 – in Warendorf. Daher richtete man nach 1945 zunächst provisorische Gottesdienststätten ein, in Privathäusern, Sälen oder in Schulen. So war es auch in Everswinkel sowie in zahlreichen anderen Orten nicht nur des Münsterlandes. In Drensteinfurt etwa diente fast 10 Jahre lang eine alte Bahnbaracke als „Gemeindezentrum“. Auf diese Situation reagierte ‚ie evangelische Kirche – auch baulich.

Grundsätzlich stellte die Landessynode die Weichen 1948, indem sie den Grundsatz aufstellte, „dass jeder evangelische Christ an jedem Sonntag einen evangelischen Gottesdienst in erreichbarer Entfernung besuchen und daß jedes Kind zu einer evangelischen Schule gehen könnte.“ Später verfolgte man zudem das Ziel, möglichst überschaubare Gemeinden – oder wenigstens Bezirke – zu schaffen. Hier liegt ein Grund für die umfangreiche bauliche Ausstattung der westfälischen Kirchengemeinden seit den 1950er Jahren. Sie war in der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs möglich. Noch heute bilden die Kirchen und größeren Gemeindezentren, die nach 1945 entstanden sind, knapp die Hälfte des aktuellen Gesamtbestandes.

Im Zusammenhang mit dem erwähnten Beschluss – und um der Not in den Flüchtlings- und Diasporagemeinden zu begegnen -, stellte die Landessynode 1950/51 namhafte Beträge für ein umfangreiches Diaspora-Bauprogramm zur Verfügung. Unterstützt wurde der Bau von Kapellen, Gemeindehäusern und Pfarrhäusern. Zu den ersten Projekten im Rahmen des Diaspora-Bauprogramms gehörte die Johanneskirche in Everswinkel- damals „Johanneskapelle“ genannt. Sie wurde nicht zuletzt dank des großen ehrenamtlichen Engagements der Gemeindeglieder 1951/52 erbaut.

Eben diese Situation zeigt Eickholts Aquarell: Die kleine Johanneskirche, noch ohne Anbauten, in ihrer ursprünglichen Form, steht zwar im Mittelpunkt des Gemäldes, doch befindet sie sich auf freiem Feld. Sie erscheint jedoch als das Zentrum einer bescheidenen Neubausiedlung, der seit 1949 errichteten Horstsiedlung. Diese scheint jedoch ebenfalls zusammenhanglos auf freiem F eld zu stehen. Vom „alten“ Everswinkel, in dem sich die großen Häuser um die historische katholische St. Magnus­Kirche scharen, scheint das „neue“ bzw. das „evangelische“ Everswinkel noch deutlich getrennt. Man war noch nicht angekommen in der bislang so fest gefügten Welt des Münsterlandes.

Die Johanneskirche selbst wirkt – auch aus heutiger Sicht – vertraut. Ein Langhaus mit gestreckten Fenstern, ein hohes Dach, ein kleinerer Chorraum, ein spitz aufragender Turm – so stellt(e) man sich eine richtige Kirche vor. Bei aller Bescheidenheit war es wichtig, Heimat und Vertrauen zu schaffen und“ keine Experimente“ zu wagen.

Die Durchführung des Diaspora-Bauprogramms war dem 1946 wieder gegründeten Landeskirchlichen Bauamt unter Adolf Schulz übertragen worden. Schulz entwickelte das Bauprogramm, und er plante eine ganze Reihe von Kapellen und Pfarrhäusern der „ersten Generation“ um 1951/52, darunter die Johanneskirche in Everswinkel. Auch andere Architekten waren beteiligt. Bei aller ähnlichkeit der Bauprogramme war ein Typenbau ausgeschlossen.

Schulz ‚ Mitarbeiter und späterer Leiter des Bauamtes, Hans Erwin Nau, erläuterte das Konzept: „Da die nach Westfalen einströmenden Heimatvertriebenen ohne Rücksicht auf ihre kirchliche Zugehörigkeit angesiedelt wurden, entstanden plötzlich in denfrüher überwiegend katholischen Gebieten Westfalens kleine evangelische Gemeinden. Die im Jahre 1950 ins Leben gerufene „Diasporahilfe“ der Landeskirche gab die Möglichkeit, diesen neuen Gemeinden Räume für den Gottesdienst und ihre sonstigen Gemeindeveranstaltungen zu bauen. Ausgangspunktfiir die Planung dieser kleinen Kirchen bildeten die in ganz Westfalen vorkommenden alten Kapellen mit einem schlichten Langraum unter Steildach mit Dachreiter.

Man bezog sich also auf historische und gewohnte Vorbilder. Mit den „alten Kapellen“ könnte Hans ­Erwin Nau beispielsweise die alte Margarethenkapelle in Dortmund-Barop gemeint haben. Doch muss man nicht so weit gehen: Auch die kleine, gotische Johanneskapelle in Münster könnte solch ein Vorbild abgegeben haben. Allerdings besitzt sie keinen Dachreiter.

Nau erläutert weiter: „Die durch sie [die alten Kapellen] gegebene Grundform gestattete es, auch bei Hinzunahme eines Gemeinderaumes trotz der sehr knapp bemessenen Mittel Bauten zu errichten, die den Bedürfnissen dieser kleinen Gemeinden entsprachen und von der Bevölkerung (auch von der katholischen Majorität, was nicht unwichtig war) als Gottesdiensthäuser angenommen wurden.“ Dies ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Deutlich wird, dass bewusst auf gewohnte Zeichen gesetzt wurde, um Heimat und Vertrauen zu schaffen. Dazu kommt, dass die kleinen Kirchen zukunftsweisend waren. Wichtig waren sowohl der Kirchsaal als auch kleine Gruppen- und Nebenräume. Mit der Anlage „unter einem Dach“ bilden die Diasporakirchlein Stationen auf dem Weg zu unseren heutigen Gemeindezentren. Dafür konnte man 1952 allerdings auch schon auf Vorbilder zurückgreifen.

Der Grundriss der Diasporakirche in Stromberg zeigt im Grunde das gesamte Programm: eine „typische“ Kirchenform, darin ein Kirchsaal und kleine, teils abtrennbare Nebenräume. Genau dieses Programm zeichnete auch die Johanneskirche in Everswinkel vor ihrem Erweiterungsbau aus.

1952 erschien eine kleine Broschüre, die über den Fortgang des Diaspora-Bauprogramms berichtete. Eine Landkarte verdeutlicht darin dessen erstaunlichen Umfang. Allein die „ersten Generation“ der Bauten 1951/52 umfasste bereits über 40 Diasporakapellen.

Dazu gehörte die Johanneskapelle in Everswinkel. Doch auch in der unmittelbaren Nachbarschaft entstanden weitere Diasporakapellen und Pfarrhäuser. Die Johanneskapelle ist eine unter zahlreichen „Schwestern“ allein dieser ersten Generation. Offensichtlich wird, dass es sich dabei um eine enorme und charakteristische Bauleistung innerhalb der Evangelischen Kirche von Westfalen in der frühen Nachkriegszeit handelt. Sie tritt in dieser Form und vor allem zu dieser Zeit in anderen Landeskirchen nicht auf. Das liegt wohl in der historisch gewachsenen konfessionellen Verschiedenheit Westfalens begründet. Dazu kommt, dass die Diasporakirchen zu den frühesten „richtigen“ Kirchen-Neubauten der Nachkriegszeit in Westfalen zählen, die ansonsten um und nach 1952 noch vom Wiederaufbau geprägt war.

Ich möchte einige „Schwestern“ der Johanneskirche in Everswinkel anhand von Fotos aus der Broschüre von 1952 vorstellen. Es handelt sich in aller Regel wohl auch um die frühesten veröffentlichten Aufnahmen dieser kleinen Kirchen.

Nur ein gutes halbes Jahr später wurde im Oktober 1952 die „Kapelle“ in Freckenhorst eingeweiht, die heutige Pauluskirche. Auch hier ist das Grundprogramm gleich: vor dem eigentlichen Kirchsaal liegen in zwei Geschossen Gruppen-, Jugend- und Nebenräume. Der Dachreiter lässt das Gebäude wie eine „richtige“ Kirche aussehen. Das seitlich abgeschleppte Dach macht den Bau ausgesprochen gefällig. Der Kirchsaal ist äußerlich durch hohe, große Fenster von dem „weltlichen Teil“ der Kirche abgesetzt. Das Innere zeigt – wie ursprünglich auch in Everswinkel – einen kleinen erhöhten Chorraum mit festem, steinernem Altar. Diese strenge Form war in den 1950er Jahren üblich. Rundbögen verleihen dem Kirchsaal eine traditionelle Würde. Der Architekt war in diesem Falle Direktor Hartmann, der Direktor der Bielefelder Kunstgewerbeschule, Mitglied des landeskirchlichen Amtes für Kirchbau und kirchliche Kunst. Er entwarf – neben Schulz – einige Diasporakirchen. Auf dem Foto des Innenraumes ist die dezente ursprüngliche Ausmalung zu erkennen. Diese führte, wie zu lesen ist, „Kunstmaler Eickholt“ aus. Von ihm stammt auch die Ausmalung der Decke in der Johanneskirche in Everswinkel – und das eingangs erwähnte kleine, Aquarell.

Der Johanneskapelle auf den ersten Blick recht ähnlich ist (bzw. war) die ebenfalls 1952 eingeweihte Friedenskirche in Sendenhorst von Adolf Schulz. Heute ist sie allerdings – wie die Johanneskirche – durch einen Gemeindehausanbau, der zur Kirche hinzugezogen werden kann, und in ihrer Ausstattung verändert.

Ein weiterer Bau von Adolf Schulz ist die Diasporakapelle in Wadersloh. Auch hier erkennt man das charakteristische Programm mit Kirchsaal und Nebenräumen. Sie ist im Vergleich mit der Johanneskirche in Everswinkel insofern interessant, da sie einen seitlichen Eingang besitzt, wie er auch in Everswinkel vorhanden war (und heute noch zu erkennen ist). Zudem schließt sich ein seitlicher niedrigerer Gebäudeteil an, der zum Pfarrhaus vermittelt. So etwas gab es in Everswinkel auch. Vermutlich hatte man an entsprechender Stelle den Platz für ein Pfarrhaus vorgesehen.

Die kleine Friedenskirche in Münster-Gremmendorf entstand 1953 nach Plänen der Münsteraner Architekten Borehers und Füssmann. Sie zeigt das Bestreben, Bauten zu errichten, „die sich in die heimische Bauweise einfugen. ,,Die Friedenskirche kennzeichnet das für Münster typische Miteinander von Ziegelsteinen und Sandstein. Wie intensiv die kleinen Gebäude ausgenutzt werden konnten, zeigt eine Holzklappwand: war sie geschlossen, konnte der Raum im Obergeschoss als Gruppenraum genutzt werden, war sie geöffnet, diente er als Empore mit Blick auf den Altarraum. Die Friedenskirche ist heute mit einern großzügigen Gemeindezentrum verbunden.

Die Kreuzkirche in Velen ist wiederum ein Bau von Schulz. Der Blick durch das Langhaus in den Altarraum zeigt ähnlichkeiten mit der Johanneskirche in Everswinkel: der ursprüngliche steinerne Altar und die hölzerne Kanzel waren vergleichbar aus, quasi identisch ist die Anlage dreier kleiner Fenster hinter dem Altar. Der Entwurf für die farbige, teils figürliche Verglasung stammt, wie die Ausmalung, von Professor Thol.

Die nach Entwürfen von Architekt Langer 1952 errichtete Kirche in Schmallenberg im Sauerland zeigt schließlich: es gab auch größere Kirchen. Sie entspricht in ihrer hausartigen Schlichtheit auch den früheren Kirchen-Neubauten der Nachkriegszeit außerhalb des Diasporakirchenprogramms.

Wieder zurück nach Everswinkel. Vergleichsweise aufwändig bebildert sind die beiden Seiten zur Johanneskirche in der Broschüre.

Die Außenansicht zeigt sie in der noch nicht erweiterten Form: ein schlichtes, aber würdiges Haus für Gottesdienst und Gemeinde. So zeigt es auch der Grundriss. Die Johanneskirche steht wie viele ihrer „Schwestern“ noch etwas „unwirklich“ auf freiem Feld.

Die Innenansicht zeigt die typische Situation der 1950er Jahre mit Kanzel und festem, an die Wand gerücktem Altar. Seine Steinplatte ist noch erhalten. Auch die rückwärtige Situation ist heute noch erkennbar: mit der öffnung der Türen konnte der anschließende Gemeinderaum – das heutige Gemeindebüro – zur Kirche hinzugezogen werden.

Und es gibt zwei Fotos zur künstlerischen Ausstattung. Die Broschüre zeigt – durch die Nennung der Künstler oder die Abbildung von Details -, wie wichtig diese künstlerische Ausstattung den damaligen Verantwortlichen war und welchen Stellenwert sie trotz aller Bescheidenheit besaß.

Heute noch vorhanden und besonderer Schmuck der Kirche von Beginn an sind die drei kleinen leuchtend farbigen Fenster von Professor Paul Thol.

Ihre Darstellungen – ähren und Brot (links), Wein und Kelch (rechts), Wasser, Fische, darüber ein Kreuz, die herab fliegende Taube des Heiligen Geistes – beziehen sich deutlich auf die beiden Sakramente, Abendmahl und Taufe.

Mit Paul Thol hatte man einen seinerzeit im evangelischen westfälischen Kirchenbau viel beschäftigten Künstler beauftragt. Thol war in der Vorkriegszeit Professor für Malerei und Restaurierungswesen an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst in Berlin­Charlottenburg gewesen und mit denkmal pflegerischen Maßnahmen in Kirchen und öffentlichen Gebäuden bis nach Schlesien und Pommern betraut. Nach dem Krieg orientierte er sich nach Westfalen entfaltete von Gelsenkirchen aus eine umfangreiche Tätigkeit vor allem in den neuen bzw. wiederaufzubauenden evangelischen Kirchen. Heute ist er kaum bekannt. In der Lüdenscheider Christuskirche zeigt sich die ganze Vielfalt seines Schaffens. Hier verstarb er auch 1956 an einem Herzinfarkt. Thols „Spezialität“ waren vor allem Malerei und künstlerische Verglasungen, aber auch Leuchter, Kronleuchter, bis hin zu Taufschalen. Vermutlich wurde auch die Taufschale der Johanneskirche von Thol entworfen. In den Diasporakirchen war er vielfach beschäftigt, zum Beispiel in der Kirche zu Drolshagen im Sauerland. Sie wurde 1952 nach Entwürfen von Adolf Schulz errichtet. Noch heute zeigt sie die ursprüngliche Situation: man gelangt durch einen Gemeinderaum durch Falttüren in den Kirchsaal mit seiner ursprünglichen Ausstattung. Den Chorraum zieren kleine, farbig verglaste Fenster. Die auf einigen Drolshagener Fenstern dargestellten .Paradiesbäume“ sowie die für Thol typischen kleinen Vögel erinnern an die Fenster in Everswinkel. Das „Paradiesfenster“ in der Stephanikirche in Gladbeck zeigt die typische Malweise: detailreiche, „schöne alte Bilder“, sehr retrospektiv und dabei leicht zugänglich. So wurde es offenbar damals, in einer Zeit voller Ungewissheiten, sehr geschätzt.

Dasselbe gilt für das Kreuz mit Korpus von der in Süddeutschland ansässigen Künstlerin Edel vom Berge und Herrendorf von 1952. Es befand sich seit der Zeit der Umgestaltung 1979/80 nicht mehr auf dem Altar, wurde erst kürzlich wieder aufgefunden und der Gemeinde zugänglich gemacht. Die Holzbildhauerin war mit einigen westfälischen Pfarrern gut bekannt, in einer Reihe von Gemeinden befinden sich Sclmitzwerke von ihr – in Ostwestfalen, aber auch in Dortmund. Eine ganz eigene Geschichte hat etwa ihr Kreuz der Kirche zu Dortmund-Kirchlinde-Rahm, das 1944 entstand. Es zeigt ihren zeittypisch herben, sehr figürlichen Stil, der Christus – in Everswinkel wie in Kirchlinde – leidend und gleichzeitig fast triumphierend darstellt. 1948 fertigte sie für dieselbe Kirche einen knienden Taufengel. Gelegentlich finden sich ihre Werke in den Diasporakirchen.

Insbesondere Paul Thol, aber auch Edel vom Berge und Herrendorf stehen mit ihrem künstlerischen Werk für das Bestreben, in den Diasporakirchen, aber auch andernorts vor allem das Gefühl von Heimat und Geborgenheit zu unterstützen.

Die „Erfolgsgeschichte“ der Diasporakirchen ging weiter. Zahlreiche Kirchlein, in aller Regel mit kombinierbaren Gemeinderäumen und Kirchsälen, entstanden bis in die 1960er Jahre. „Spätere

Bauten in der Diaspora versuchten“, so noch einmal Hans Erwin Nau, „sich von dem alten Kapellentyp zu lösen undfür das sehr kleine Programm selbständige Formen zu entwickeln. ,,7

Das begann zaghaft mit vorsichtig moderneren Bauten der „zweiten Generation“, wie der Martinskirche in Drensteinfurt von 1957, der kleinen Heilig-Geist-Kapelle in Beelen von 1958, oder der 1960 eingeweihten Michaelskapelle in Hoetmar 1960. Alle diese „weißen Schwestern“ entwarf der Bochumer Architekt Karl Oettinghaus. Weitere finden sich in nächster Umgebung. Die erwähnten „selbständigen Formen“ weist dann beispielsweise Hans Jörg Gonsers Trinitatiskirche in Ramsbeck-Andreasberg von 1963 auf. Sie ist ein durchaus experimenteller Bau, hier ist – der Name ist Programm – fast alles dreieckig, bis hin zu den Tischen im Konfirmandenraum im Souterraingeschoss. Solche experimentelleren Tendenzen wie in der Trinitatiskirche findet man vielfach im westfälischen Kirchenbau gerade in den Jahren nach 1960. Aber das ist ein anderes Thema.

 Deutlich wird: der Kirchenbau entwickelt sich, Kirchen sind nie fertig. Das zeigen auch die Diasporakirchen. 1969 resümierte Hans Erwin Nau, keine der Diasporakirchen sei umsonst gebaut worden. „Der Einsatz der Diasporaaktion war groß. Noch größer war jedoch der Gewinnfür die Vertriebenen, wieder eine geistliche Heimat zu finden. “ 2008 befinden sich viele nicht mehr abseits, sondern in guten Lagen, in Neubaugebieten. Vielfach wurden Sie aufgrund des Zuzugs erweitert und umgebaut. Dies geschah in Sendenhorst, in Handorf, in Ostbevern – und in Everswinkel, schon 1979/80, wiederum nach einem Entwurf des Landeskirchlichen Baureferates durch den Architekten Fried Burghardt.

 Andere sind – aufgrund von Bevölkerungsverschiebungen – in ihrem Bestand nicht ungefährdet, wie die Kirche in Drolshagen. Einige sind bereits entwidmet, wie Schulz Michaelskapelle in Hardehausen bei Scherfede. Diese klassische Diasporakapelle der „Ersten Generation“ wird gegenwärtig zu einem Wohnhaus umgebaut, zu einem Altenteilerhaus eines benachbarten Bauernhofes, der im Besitz eines langjährigen Presbyters ist. Aber auch das ist ein anderes Thema. Die Michaeliskapelle war übrigens nie „angekommen“. Hier hat sich seit den 1950er Jahren keine Gemeinde entwickeln können. Sie steht immer noch allein auf weitem Feld, wie die Johanneskirche in Everswinkel auf Eickholts Aquarell aus den frühen 1950er Jahren.

Soweit der Blick zurück und ringsum. Die Johanneskirche in Everswinkel ist ein Teil des westfälischen Diaspora-Bauprogrammes der frühen 1950er Jahre, eine Diasporakirche der „ersten Generation“. Sie steht nicht allein, und wenn man ihre Architektur oder ihre Ausstattung betrachtet, lassen sich vielfältige und weite Bezüge zum westfälischen Kirchenbau der 1950er Jahre spannen. In der langen westfälischen Kirchenbaugeschichte haben diese Kirchlein ihren besonderen Platz, und wir sollten ihnen mehr würdigende Beachtung schenken. Das unspektakuläre Aquarell von Eickholt fasst das auf kleinstem Raum zusammen.

Es ist zu hoffen, dass diese Entdeckungen zur Geschichte und zur Bedeutung der Johanneskirche anregen, weitere „Schwestern“ zu besuchen. Es wäre ihnen zu wünschen.